Widerlegung der Einwände gegen die Anwendbarkeit der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf die Evolutionstheorie
Eine kritische Analyse eines Internet-Beitrags von Herrn Martin Neukamm, der einen fehlerhaften Denkansatz einiger Evolutionstheoretiker (wie S.J. Gould, H. von Ditfurth und M. Mahner) aufgegriffen hat und zu verteidigen sucht.
- Vorbemerkungen
- Einleitung
- Analyse des Textes
- Der Denkfehler
- Der Lederberg’sche Stempelversuch
- Der Dachziegel
- Fazit
- Anmerkung 1 – Das Rechnen mit Großen Zahlen
- Anmerkung 2 – Anzahl aller Atome im Universum
- Anmerkung 3 – Grenze der Wahrscheinlichkeit
- Anmerkung 4 – Das Beispiel mit dem Würfel
- Ergänzungen
Vorbemerkung:
Auf die vorliegende Analyse eines Internetbeitrags von Herrn Martin Neukamm, in dem er die Anwendbarkeit der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf die Evolutionstheorie abstreitet, hat Herr Neukamm wiederum mit einer Replik reagiert. Diese habe ich genauso wie seinen ursprünglichen Beitrag vollständig wiedergegeben. Das sind die Links [M. Neukamm] im Text. Klickt man darauf, findet man außerdem meine jeweiligen Erwiderungen darauf.
Vorweg sei darauf hingewiesen, dass Herr Neukamm in seinen Kommentaren völlig grundlos mit verletzender Polemik arbeitet. Er stellt Intelligent-Design-Theoretiker unter dem Sammelbegriff „Kreationisten“ oder „Antievolutionisten“ in die Ecke der Personen mit ‚ideologisch fixierten Vorurteilen‘ und ’schizophrener Logik‘, die eine ‚dogmatisch begründete Unwilligkeit zum logischen Denken‘ auszeichnet. Mit einer fairen „Besprechung“ hat sein Artikel nichts mehr zu tun. [M. Neukamm] Der Leser braucht jedoch nicht zu fürchten, dass der Autor vorliegender Schrift mit ähnlicher Polemik arbeitet.
Als Argument gegen eine Makroevolution verweisen Mathematiker und Intelligent-Design-Theoretiker immer wieder auf die Limes gegen Null gehende Wahrscheinlichkeit unterschiedlicher evolutiver Mechanismen, wie sie von Evolutionstheoretikern vertreten werden. [Kein Kommentar von Herr Neukamm]
In folgendem Text (heruntergeladen von Herrn Neukamms Homepage am 20.08.2002) greift Herr Neukamm die Anwendbarkeit dieser Wahrscheinlichkeitsrechnungen auf die Evolutionstheorie an (speziell diejenige von Klaus Wittlich. Man findet sie in dem Buch AUGE WIDERLEGT ZUFALLS-EVOLUTION von Wolf-Ekkehard Lönnig, dort in dem Zusatzbeitrag ÜBER DIE WAHRSCHEINLICHKEIT DER ZUFÄLLIGEN ENTSTEHUNG BRAUCHBARER DNA-KETTEN). Eine Analyse dieser Angriffe scheint angebracht, da einzelne Evolutionstheoretiker die Regeln der Stochastik nicht auf die Evolutionstheorie angewandt wissen wollen und einige Leser (besonders im deutschsprachigen Raum) sich fragen, was es damit auf sich hat. [M. Neukamm]
Im Folgenden ist der gesamte Wortlaut des Beitrags des Herrn Neukamm zu diesem Thema wiedergegeben und von mir kommentiert worden. Dabei habe ich mich bemüht, die Sätze nicht bis ins letzte Detail zu analysieren, sondern mich statt dessen auf die Grundaussage der Absätze zu konzentrieren. Dies hat vor allem praktische Gründe: Ziel dieser Schrift ist es, die Fehlerhaftigkeit des Denkansatzes einiger Evolutionstheoretiker im Allgemeinen und die des Herrn Neukamm im Besonderen bezüglich der Wahrscheinlichkeitsrechnung nachzuweisen. Wiewohl ich auch hier und dort auf weitere fehlerhafte Aussagen des Herrn Neukamm eingehe, erlaubt es mir meine Zeit nicht, mich in seinem Beitrag auf jeden einzelnen Fehler (und von denen gibt es leider doch etliche) zu konzentrieren. Ich möchte betonen, dass es mir nicht darum geht, auf der mangelnden Sachkenntnis anderer herumzureiten. Jeder mag sich in gewissen Punkten irren und wir alle haben gerade erst angefangen, Wissen zu erwerben. Ich möchte Herrn Neukamm auch bitten, diese Analyse nicht als persönlichen Angriff zu werten. Möge sie vielmehr dazu betragen, dass er und andere sich zukünftig zurückhalten, Andersdenkende zu diffamieren.
Einleitung:
Bei meiner Analyse werden dem Leser folgende Fehler in den Einwänden einiger Evolutionstheoretiker gegen die Wahrscheinlichkeitsrechnung auffallen:
- Ihre Einwände beschäftigen sich mit chaotischem Code (z.B.: Zufalls-Zahlenreihen) statt mit informationstragendem Code (siehe dazu das Beispiel Der Dachziegel sowie Anmerkung 4).
- Sie gehen von praktisch unendlich vielen Konfigurationsmöglichkeiten bei der Entstehung sinnvoller Sequenzen aus, statt von einer begrenzten Anzahl (siehe dazu Der Denkfehler).
- Sie überstrapazieren den Zufall, indem sie ihm Intelligenz unterstellen (siehe dazu auch folgende Richtigstellung).
[Kein Kommentar von Herr Neukamm]
Ich habe im Rahmen dieses Beitrags Herrn Klaus Wittlich die Möglichkeit eingeräumt, persönlich zu einigen Angriffen des Herrn Neukamm Stellung zu nehmen. Alle Absätze in Grün sind Ausführungen von Herrn Neukamm. Alle Absätze in Bernstein sind Anmerkungen von Klaus Wittlich.
In der Hoffnung, dass meine um Sachlichkeit bemühten Kommentare auf Respekt und Wohlwollen stoßen (auch bei Herrn Neukamm), wünsche ich meinen Lesern eine gewinnbringende Lektüre dieser Schrift.
Analyse des Textes:
M. Neukamm:
10. Besprechung der statistischen Analyse von Klaus Wittlich und die fehlerhafte Diskussion von Wahrscheinlichkeitsbegriffen
Wittlich rechnet uns anhand eines Beispiels vor, wie unwahrscheinlich es sei, eine gewünschte Gensequenz aus 1000 Nucleotidbasen durch Mutation zu erzeugen, die ein bestimmtes Enzym codiert. Wittlich:
„(…) Tausend Basen sind dann unser Ausgangspunkt für die weiteren Berechnungen – 41000 = 1,15*10602 Möglichkeiten (…) Damit ergibt sich für die Zahl der pro Sekunde seit der Entstehung des Universums pro Atom der Erde benötigten Versuche zu (…) 3,2*10530, um mit einem (!) brauchbaren 1000-Basen-DN A-Strang rechnen zu können. (…)“
Wittlichs Argumentation mit der Wahrscheinlichkeit ist nicht neu und wird seit Jahrzehnten in Form zahlreicher Abwandlungen immer wieder präsentiert. Nun läßt sich nicht bestreiten, daß die Beispielrechnungen, vom Standpunkt eines Programmierers und Mathematikers aus betrachtet, formal völlig richtig sind.
Grundsätzlich möchte ich an dieser Stelle festhalten, dass nach meiner Überzeugung mathematische Gesetze für Chemiker und Biologen in gleichem Maße gelten müssen wie für Mathematiker und Programmierer! [M. Neukamm]
M. Neukamm: Doch zum Zwecke der Falsifikation des Evolutionsgedankens, greift diese Argumentationskette in eklatanter Weise ins Leere. Warum? Nun, wer evolutionsbiologische Mechanismen auf die Gesetze der Formalarithmetik reduziert, wird der Komplexität der Sache nicht gerecht.
Anmerkung von Klaus Wittlich: Nicht Formalarithmetik, sondern Statistik! Das ist etwas anderes. In meinem Artikel wurde nicht Formalarithmetik, sondern Statistik erklärt, insbesondere die Grundlagen der Binomialverteilung. [M. Neukamm] In der Mathematik versucht man, der Komplexität mit der Komplexitätstheorie zu begegnen und ihr gerecht zu werden, ein Wissenschaftszweig, der übrigens auch in der Informatik häufig Anwendung findet. Warum die Komplexitätstheorie der Komplexität der Sache nicht gerecht werden soll, ist schleierhaft. [M. Neukamm]
M. Neukamm: Und so übersehen alle Evolutionskritiker geflissentlich seit Jahrzehnten, daß die Wahrscheinlichkeit ein statistischer Begriff ist und als solcher nur anwendbar, wenn man die exakte Reproduktion eines Ereignisses diskutieren möchte!
Es ist nicht statthaft, dass Herr Neukamm an dieser Stelle unerwähnt lässt, dass Klaus Wittlich in seiner Berechnung von einer Sequenz mit 40%iger Variabilität ausgeht. Auf diese Weise erweckt er den irrigen Eindruck, Klaus Wittlich habe in seinen Ausführungen einen eklatanten Fehler gemacht, was ihm nun Gelegenheit gibt, diesen Fehler anzugreifen. In Wahrheit hat Klaus Wittlich in seinen Berechnung den Einwand des Herrn Neukamm bereits vorweggenommen. [M. Neukamm] Um dem Leser die Gelegenheit zu geben, die Berechnungen von Klaus Wittlich selbst einzusehen, sei hier auf seinen lesenswerten Beitrag Über die Wahrscheinlichkeit der zufälligen Entstehung brauchbarer DNA-Ketten verwiesen. Der Leser wird sehen, dass es in seinen Berechnungen gar nicht um die „exakte Reproduktion eines Ereignisses“ geht, wie Herr Neukamm dies suggeriert. Tatsächlich schreibt Klaus Wittlich:
„Ein weiterer Einwand ist, dass nun nicht alle Basen exakt stimmen müssen. Es gibt Fälle, wo bis zu einigen Prozent Abweichungen vom Original möglich sind, und der DNA-Strang dennoch funktioniert.“
Und weiter:
„Wie der Leser erkennt, liefert der vorliegende Ansatz nicht nur eine einzige Sequenzvariante, sondern sehr viele: Selbst bei 40% maximaler Abweichung ein Wert, der für die meisten Enzyme bereits völlig irrelevant sein dürfte, ist die pro Sekunde pro Atom der Erde seit Entstehung der Universums nötige Zahl an Versuchen 7,2 x 1068. Bei einer zulässigen Abweichung bis 40 % gibt es 1,15 x 10602 / 2,6 x 10120 = 4,5 x 10481 brauchbare Möglichkeiten, bei einer zulässigen Abweichung von genau 40 % gibt es „nur“ noch 5 x 10290 Varianten.“ [M. Neukamm]
Bezeichnenderweise wird die 40%ige Variabilität von Herrn Neukamm selbst weiter unten noch beiläufig erwähnt, natürlich ohne darauf aufmerksam zu machen, dass dies seiner gesamten vorangehenden Argumentationsfolge die Grundlage entzieht.
Abgesehen davon will niemand ein einmaliges Ereignis reproduzieren, wenn er beispielsweise berechnet, wie groß die Wahrscheinlichkeit wäre, dass sich ein Molekül aus 1000 Aminosäuren aus einer sogenannten „Ursuppe“ bildet. Die Abfolge der Aminosäuren innerhalb dieses Moleküls ist zunächst noch gar nicht Gegenstand der Berechnung. [Bis hierhin kein Kommentar von Herrn Neukamm] Aber es muss sich doch zumindest mal ein Molekül gewisser „Länge“ gebildet haben. Wenn man nun errechnet, dass sich bereits ein solcher gänzlich unbrauchbarer Aminosäure-Strang mit völlig nutzlosem Code niemals zufällig hatte bilden können, dann ist es doch müßig, darüber zu diskutieren, dass man diese 1000 Aminosäuren doch auf vielerlei Weise anordnen kann. [M. Neukamm] Die Berechtigung solcher Wahrscheinlichkeitsberechnungen ist somit völlig gerechtfertigt und unbedingt angebracht, wenngleich sie so manchem sehr unangenehm sind, kratzen sie doch sehr heftig an seinem Weltbild (weiterführende Literatur: Bruno Vollmert, Das Molekül und das Leben). [Kein Kommentar von Herrn Neukamm]
M. Neukamm: Da Evolution auf stochastischen Mutationen beruht, ist sie folglich akausal und indeterministisch.
Anmerkung von Klaus Wittlich: Gemäß physikalischen Gegebenheiten wird das thermodynamische Gleichgewicht angestrebt. („Entropie verschwindet nie“.) Wenn man eine unter Druck stehende Gasflasche öffnet, dann entweicht das Gas, wobei sich die Gasmoleküle, als Individuen betrachtet, zufällig bewegen. Das ganze System mit seinen sich stochastisch bewegenden Individuen verhält sich kausal und deterministisch. Das Gas entweicht, bis der Innendruck der Flasche dem Außendruck entspricht. Den umgekehrten Fall, dass das Gas statt von selbst aus der Flasche zu entweichen, von selbst in die Flasche eindringt und so einen merklichen Überdruck erzeugt, wird man in Folge der statistischen Gesetze nicht beobachten können, obwohl dieser Vorgang denkbar, jedoch, ähnlich wie eine Makro-Evolution, extrem unwahrscheinlich wäre [M. Neukamm]
Da Herr Neukamm an dieser Stelle Mutationen erwähnt, möchte ich einmal veranschaulichen, was Mutationen bewirken können und was nicht: Eine Mutation bewirkt fast immer das, was ein winziger Kratzer auf einer CD bewirkt. Entweder wird der Defekt durch Prüfsummenvergleich erkannt und die Originaldaten rekonstruiert, oder man hört ein Knacken (Missbildung). Man weiß auch, dass ein Kratzer auf einer CD kein neues Musikstück entstehen lässt. Da spielt es auch keine Rolle, wie viele Kratzer auf der CD sind. Dass ein Kratzer jemals eine Verbesserung für die auf der CD befindliche Musik darstellt oder gar eine neue Musik entstehen lässt, daran darf man zu Recht zweifeln. Dass sich auf einer leeren CD durch abwechselndes Verkratzen und Kopieren im Laufe der Zeit eine komplexe Symphonie entwickelt, mag einem auch in Zeiträumen von Jahrmillionen nicht glaubhaft erscheinen. [M. Neukamm]
In ähnlicher Weise können Mutationen nur Vorhandenes verändern (und dadurch oft zerstören), nicht aber eine wirklich neue und komplexe biologische Struktur und Funktion, die vorher nicht vorhanden war, neu hinzufügen (Mutation, lat. mutatio = Veränderung, Wechsel, Umtausch). Auch zufällige Genduplikationen haben in den entscheidenden Fragen zum Ursprung der Ordnung in der Biologie kaum weiter geführt (etwa zur Frage nach der Entstehung von Synorganisationen und dem Problem der Irreducible Complexity)! Wer an weiterführender Literatur zum Thema Mutationen interessiert ist, sei auf die folgende Artikel verwiesen:
- Wirkung der Genmutationen
- Mutationen: Das Gesetz der rekurrenten Variation
- Evolution durch Genduplikationen?
Ein weiterer eklatanter logischer Fehler beruht auf dem Umstand, dass Herr Neukamm ja eigentlich nachweisen wollte, dass Evolution auf zufälligen (um den Begriff „stochastisch“ einmal zu entmystifizieren) Mutationen beruht und genau diese gedankliche Annahme als Tatsache voraussetzt, um seine Annahme zu begründen. [M. Neukamm] Solange man etwas nachzuweisen versucht, ist es ein grober logischer Fehler, das Nachzuweisende als Voraussetzung für den Nachweis zu verwenden. Man darf niemals als Tatsache voraussetzen, was man erst noch als Tatsache nachweisen muss. Will ein Richter beispielsweise herausfinden, wer von den beiden sich widersprechenden Zeugen lügt, so kann er nicht sagen: „Zeuge A lügt, weil er ein Lügner ist“. Die verwendete Begründung ist mit der Aussage identisch, die ja erst noch begründet werden muss. Wem ein solcher Zirkelschluss öfter unterläuft (und da ist Herrn Neukamm leider nicht der Einzige) sei an dieser Stelle ermuntert, sich noch einmal eingehend mit den hochinteressanten mathematischen Themenbereichen Aussagenlogik und Boole’sche Algebra zu beschäftigen. [Hierzu gibt es keinen Kommentar von Herrn Neukamm]
M. Neukamm: Mit anderen Worten: Der Verlauf der Evolution ist einmalig, nicht wiederholbar und demzufolge auch nicht vorhersagbar.
Ich habe den dringenden Verdacht, dass diese nebulöse Unberechenbarkeit von einigen Evolutionstheoretikern immer dann ins Feld geführt wird, wenn ihnen der Kragen in Anbetracht mathematischer Berechnungen zu eng wird. Eine solche Argumentation habe ich in noch keinem anderen Wissenschaftszweig jemals gehört. Wenn mir jedoch die Methoden genommen werden, eine Theorie zu widerlegen, dann ist die Theorie von keinem Wert (siehe Richtigstellung: Falsifizierbarkeit).
Tatsächlich soll die Evolution alles andere als einmalig gewesen sein. So sollen sich ähnliche Organstrukturen gemäß der Theorie immer wieder unabhängig voneinander bei den verschiedensten Organismen entwickelt haben (Konvergenz). Von Einmaligkeit kann also keine Rede sein. [M. Neukamm] Aber es kommt noch besser:
Der Denkfehler:
M. Neukamm: Daraus läßt sich eine eminent wichtige Schlußfolgerung ableiten: Evolution mußte sich nicht notwendigerweise in den uns bekannten Formen und Bauplänen manifestieren, vielmehr besitzt sie unendlich viele Freiheitsgrade. Nur wer fälschlicherweise bzw. aufgrund ideologisch fixierter Vorurteile voraussetzt, daß nur ein konkreter beobachtbarer Bauplan zwingend entstehen mußte, kann diese Argumentation bemühen.
Das ist falsch! Es sind nicht „unendlich viele Freiheitsgrade“, sondern endlich viele. Im Übrigen hat Klaus Wittlich in seinen Berechnungen die vielen Spielarten eines Bauplans einkalkuliert. [M. Neukamm]
Ich möchte diese Argumentation einiger Evolutionstheoretiker gegen die Wahrscheinlichkeitsrechnung im Evolutionsmodell einmal an einem konkreten, leicht verständlichen Beispiel aufzeigen und durchrechnen:
Sie bekommen die Aufgabe, den Roman Robinson Crusoe mit einem Text bestehend aus 1000 Buchstaben zusammenzufassen. (Das sind ungefähr 10 Sätze.) Es sind alle Buchstaben des deutschen Alphabets, das Leerzeichen, der Punkt, das Fragezeichen und das Ausrufezeichen erlaubt, also insgesamt 34 verschiedene Zeichen. (Wir wollen uns der ‚Einfachheit‘ halber auf Großbuchstaben beschränken.) Sie liefern ihre Arbeit ab und jemand berechnet die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Text per Zufallsgenerator erstellt werden kann. Er rechnet so:
1 : 341000 = 1 : 3,01 x 101531.
Die Chance, dass dieser Text zufällig entsteht, ist somit 1 : 3,01 x 101531. [M. Neukamm, Die folgenden Absätze wurden von Herrn Neukamm nicht kommentiert]
Die Argumentation einiger Evolutionstheoretiker ist nun, dass man die Zusammenfassung ja auch in andere Worte hätten kleiden können. Würde man den Auftrag 1.000.000 Personen geben, kämen womöglich 1.000.000 verschiedene Texte heraus, die sich alle (wenn vielleicht teilweise auch nur geringfügig) voneinander unterscheiden. Das könnte jemanden dazu verleiten, anzunehmen, dass es unendlich viele Texte geben kann, die eine korrekte Zusammenfassung des Romans bilden. Aber diese Vermutung ist falsch! Begrenzt wird die Anzahl der sinnvollen Buchstabenkombinationen nämlich durch mehrere Faktoren: Es müssen orthografisch korrekte deutsche Worte sein, die den grammatischen Regeln folgen und ihre Funktion korrekt ausführen, nämlich einen ganz bestimmten Roman zusammenzufassen. Die Zahl an möglichen Wortkombinationen mag groß sein. Aber selbst wenn es so viele Textvariationen geben würde, wie es Atome im Universum gibt, würde sich an der geringen Wahrscheinlichkeit nichts merklich ändern:
1 : 3,01 x 101531 / 1078 = 1 : 101531-78 = 1 : 101453
Die Argumentation besitzt somit keine Substanz. Ich habe sie, nebenbei bemerkt, auch noch nie von einem Mathematiker gehört oder gelesen.
Substanz bekommt sie auch dadurch nicht, dass Herr Neukamm sie im nachfolgenden Text noch einmal aufgreift und wiederholt:
M. Neukamm: Wir wollen einmal annehmen, der Evolution stände tatsächlich nur eine einzige Möglichkeit offen, um auf einen Druck von außen reagieren zu können, sie liefe also in einem „eindimensionalen Phasenraum“ ab.
Klaus Wittlich ging nie von ‚einer einzigen Möglichkeit‘ aus, wie Herr Neukamm dies im folgenden Absatz selbst beiläufig erwähnt: [Bis hierhin kein Kommentar von Herrn Neukamm]
M. Neukamm: Selbst unter dieser Annahme, die mit der Realität jedoch nicht mehr das geringste zu tun hat, ist Wittlichs Argumentation mit der Wahrscheinlichkeit fehlerhaft. Wittlich demonstriert uns anhand der zufälligen (mutativen) Bildung des Hämoglobins, wie unwahrscheinlich dieser Prozeß sein müsse, selbst wenn man annähme, daß die Aminosäuresequenz um bis zu 40% variabel ist.
Hier gibt Herr Neukamm nun endlich zu, dass Klaus Wittlich die 40%ige Variabilität in seine Berechnungen bereits einkalkuliert hat. Was soll dann aber seine gesamte Argumentation bis zu diesem Punkt? [M. Neukamm]
M. Neukamm: Er übersieht jedoch, daß nicht ausschließlich bzw. spontan Hämoglobin entstanden zu sein braucht. Die entscheidende Eigenschaft des Hämoglobins und die anderer Enzyme ist die Fähigkeit, eine bestimmte Reaktion zu katalysieren. Wie man jedoch weiß, sind unzählige, zumeist bereits sehr einfach gebaute Polypeptide in der Lage, jeweils dieselbe Reaktion zu ermöglichen. Für jede Reaktion existieren also Hekatomben biotischer und abiotischer Substanzen, die die spezifische Aufgabe eines komplizierten Enzyms übernehmen können. Greifen wir das Cytochrom C heraus: Die katalytische Wirkung dieses Enzyms, das aus 104 Aminosäuren aufgebaut ist, beruht einzig und allein auf seiner Eigenschaft der Redoxamphoterie. Es ist in der Lage, reduziert und wieder oxidiert zu werden, indem in der Atmungskette formal Elektronen bzw. Hydridionen gebunden und wieder übertragen werden. In der Chemie kennt man unzählige Verbindungen, Enzyme und Proteinoide, die diese Eigenschaft aufweisen. Das abiotische Chinon ist bereits in der Lage, diese Aufgabe zu übernehmen. Daher kann kein Mensch ernsthaft behaupten wollen, nur das Hämoglobin sei in der Lage, die spezifische, ihm eigene Stoffwechselreaktion zu gestatten. Vielmehr existieren viele gleich gut geeignete Biokatalysatoren. Daß ausgerechnet das Hämoglobin „das Rennen machte“, ist also bloßer Zufall.
Das wäre etwa so, als würde ich behaupten: „Durch eine zufällige Buchstabensequenz musste ja nicht unbedingt der Roman Robinson Crusoe entstehen, es hätte genauso gut ein anderer Roman (z.B.: Moby Dick oder Der Graf von Monte Christo) entstehen können. Dass ausgerechnet Robinson Crusoe ‚das Rennen machte‘, ist also bloßer Zufall“. Das ist Unsinn. Kein Roman entsteht zufällig! [M. Neukamm]
Es handelt sich in Wahrheit nur um eine Wiederholung des substanzlose Arguments von eben. [M. Neukamm] Dass es auch andere (angeblich „unzählige“, tatsächlich natürlich in ihrer Anzahl begrenzte) Verbindungen gibt, die das Hämoglobin ersetzen könnten, ist irrelevant. Selbst wenn es so viele chemische Verbindungen gäbe wie Atome im Universum, würde sich die Wahrscheinlichkeit nicht merklich erhöhen:
1 : 1,15 x 10602 / 1078 = 1 : 1,15 x 10602-78 = 1 : 1,15 x 10524 (bei durchschnittlich ähnlichem Komplexitätsgrad). [M. Neukamm]
Dass sich da dann zufällig auch noch das hervorragende Hämoglobin entwickelt haben soll, dass sehr viel effektiver arbeitet als etwaige andere Biokatalysatoren, mag da geradezu grotesk klingen. [M. Neukamm]
Der Lederberg’sche Stempelversuch
M. Neukamm: Wie unrealistisch Wittlichs Annahmen letztlich sind, zeigt der eingangs angesprochene Versuch von Lederberg auf. Nach Wittlich muß die genetische Codierung einer Penicillinase beliebig unwahrscheinlich sein. Trotzdem kommt es, wie Lederberg zeigen konnte, bei Bakterien immer wieder zu spontanen Resistenzen gegen Penicillin, die auf der Synthese eines das Penicillin spaltenden Enzyms, einer Penicillinase, zurückzuführen sind.
Der Lederberg’sche Stempelversuch hat nur ‚leider‘ nichts mit Makroevolution zu tun! Ein ausführlicher und sehr detaillierter Beitrag zu dieser Thematik findet sich unter: Hoimar von Ditfurth und der Lederberg’sche Stempelversuch: Sind Antibiotikaresistenzen Beweise für Makroevolution im Labor? mit anschließender Diskussion (Weitere Einzelheiten in Junker/Scherer „Evolution – Ein kritisches Lehrbuch“, 2001, 5. Auflage, S.108,109).
Anmerkung von Klaus Wittlich: Der Lederberg’sche Stempelversuch zeigt, dass die Resistenzen schon vorher vorhanden waren (Gesetz der rekurrenten Variation).
Anmerkung von Klaus Wittlich: Die Voraussetzungen in meiner Wahrscheinlichkeitsrechnung sind andere: Ich betrachte das Szenario, dass noch kein Leben existiert und sich dann Leben mit Enzymen entwickelt. Wenn tatsächlich Penicillinasen entstehen, dann legt das den Schluss nahe, dass das im Versuch bereits vorhandene Leben mit Enzymen ausgestattet ist, die zu Penicillinasen nur noch geringe Unterschiede aufweisen. Bei diesen geringen Unterschieden kann dann eine Penicillinase noch zufällig gefunden werden. Mein Artikel über die Wahrscheinlichkeitsrechnung geht aber von anderen Voraussetzungen aus.
Anmerkung von Klaus Wittlich: Vor einigen Jahren wurde mir im Rahmen eines Sanitätshelferkurses folgender Fall berichtet: In Folge eines Arbeitsunfalls schluckte ein Mann Zyankali, was für ihn aber keine negativen Folgen hatte. Der Mann war starker Alkoholiker und bei ihm bildete sich daher keine Magensäure mehr. Daher wurde das Zyankali auch nicht zu Blausäure zersetzt. Der Mann überlebte, weil er bestimmte biologische Fähigkeiten nicht mehr hatte, die ihm in diesem Kontext gefährlich geworden wären. Er überlebt nicht, weil er neue Fähigkeiten entwickelt hatte, sondern weil er Fähigkeiten, die in diesem Fall für ihn tödlich gewesen wären, verloren hatte. Dass beim Lederberg’schen Stempelversuch durch die Immunität zwingend neue Funktionalitäten entstanden sind, kann daher nicht gefolgert werden.
[Kein Kommentar von Herrn Neukamm]
M. Neukamm: Die mißbräuchliche Diskussion der Wahrscheinlichkeit, die alle Kreationisten seit Jahrzehnen in den verschiedenstens Varianten bemühen, um die Evolution als äußerst unwahrscheinlichen Prozeß darzustellen, ist symptomatisch für die schizophrene Logik, die ihrer gesamten Argumentation zugrunde liegt.
Da die Sachlichkeit einer Argumentation in aller Regel von ihrer Stichhaltigkeit abhängt, drängt sich mir die Frage auf, wieso sich Herr Neukamm eines solch provokanten und unsachlichen Schreibstils bedient. [M. Neukamm]
M. Neukamm: Eine beliebte, bis zum Überdruß strapazierte Variante ist Thorpes Beispiel der Affenhorde, die auf 100 Schreibmaschinen herumhämmert, in der Hoffnung, durch Zufall eine von Shakespeares Werken zu reproduzieren. Die Wahrscheinlichkeit, daß dies über einen vergleichsweise kurzen Zeitraum gelänge, sei Hekatomen mal größer als die Wahrscheinlichkeit, durch Zufall ein Enzym, wie das Cytochrom C entstehen zu lassen. In die Alltagssprache übersetzt heißt dies, es ist unmöglich. Tatsächlich läßt sich die Wahrscheinlichkeit, die festgelegte Aminosäuresequenz einer Enzymkette aus 100 Gliedern, mit 1 : 20100 berechnen.
Die Wahrscheinlichkeit, diese Aminosäuresequenz zufällig zu erhalten, lässt sich nur dann mit 1 : 20100 angeben, wenn man von dem Idealfall ausgeht, dass nur die richtigen 20 Aminosäuren zur Verfügung stehen, und zwar von jeder dieser Aminosäuren unbegrenzt viele. In Anbetracht der tatsächlichen Anzahl existierender Aminosäuren, ist dieser Idealfall aber auszuschließen. Hier wird ein Zustand einfach vorausgesetzt, der niemals existieren kann, um die Wahrscheinlichkeit erheblich heraufzusetzen.
Aus einem Aminosäuren-Pool bestehend aus 100 verschiedenen Aminosäuren immer nur die 20 in Frage kommenden herauszugreifen, ist bereits bei einer Kette aus 112 Aminosäuren unwahrscheinlicher, als aus allen Atomen des Universums beim ersten Versuch ein ganz bestimmtes herauszugreifen.
1 : 1078 = 1 : 5111,59 [M. Neukamm]
Völlig unberücksichtigt bleibt dabei noch die Tatsache, dass sich langkettige Moleküle aus einem Pool von organischen Verbindungen, wie er im sogenannten Miller-Experiment erzeugt wurde, gar nicht bilden können, da nur eine einzige „falsche“ Aminosäure genügt, um die Kette abzuschließen. [M. Neukamm] Wie dann auch noch eine sinnvolle Bedeutung in die Aminosäuresequenz gekommen sein soll, bleibt dem Leser ebenfalls ein Rätsel. Wie dann der Zufall auf die Idee gekommen sein soll, eine Aminosäuresequenz mithilfe eines DNS-Moleküls zu codieren, und was zuerst da war, das DNS-Molekül oder die Aminosäuresequenz, und wieso es spontan zu einer der kompliziertesten Interaktionen gekommen ist, usw., bleibt vor diesem Hintergrund völlig im Dunkeln.
Die Ursprungsfrage von der Deszendenzfrage in diesem Zusammenhang zu trennen, ist sicherlich eine bequeme Vorgehensweise, um den zweiten Schritt ohne den ersten machen zu können. Beide Fragen sind jedoch untrennbar miteinander verbunden, denn etwas, was nie begonnen hat, kann auch niemals weiter gelaufen sein. Man braucht sich also keine Gedanken darüber zu machen, wie eine bereits bestehende Aminosäuresequenz eine Veränderung durchlebt (und dafür eine Wahrscheinlichkeit angeben), wenn es die vorausgesetzte Aminosäuresequenz überhaupt nicht geben kann. Dass sich Intelligent-Design-Theoretiker dennoch darauf einlassen, Schritt 1 gedanklich zu überspringen und sich mit Schritt 2 zu beschäftigen, liegt daran, dass man an jeder beliebigen Stelle nachweisen kann, dass eine Evolution unmöglich ist. [Kein Kommentar von Herrn Neukamm]
M. Neukamm: Derart verschwindend geringe Wahrscheinlichkeiten lassen sich indes auf alle zufällig entstandenen Baupläne und Enzyme übertragen. So schreibt Remine, um derart infinitesimal kleine Wahrscheinlichkeiten zu veranschaulichen:
„If you flipped an honest coin once a second continuously around the clock, then you would require 200 thousand billion times the maximum estimated age of the universe to flip a trial of 100 heads. This is no exaggeration. On average it would require that much time. This narrative description explain the extremly low probability in terms we can humanly grasp (…) .“
Monod folgerte daraus, daß angesichts derart kleiner Wahrscheinlichkeiten (die, um eine modernere Variante der Veranschaulichung zu gebrauchen „millionenmal größer sei, als 100 mal hintereinander sechs Richtige im Lotto zu bekommen“), „das Leben ein solch unausdenkbar unwahrscheinliches Ereignis gewesen sein muß, daß Leben fürwahr lediglich ein einziges Mal im Universum existieren kann“.
Ich möchte an dieser Stelle behaupten, dass das Leben überhaupt nicht hätte entstehen können – auch nicht ein einziges Mal – wäre alles dem Zufall überlassen geblieben (Zur Begründung siehe Richtigstellung: Dinosaurier-Eierschalen). [M. Neukamm]
M. Neukamm: Zweifelsohne sind die statistischen Berechnungen, so wie sie auf dem Papier stehen, in allen Fällen ausnahmslos richtig.
Auch Intelligent-Design-Theoretiker können rechnen!
M. Neukamm: Zu diskutieren ist jedoch die Frage, inwieweit diese Beispiele mit Evolution überhaupt noch irgendetwas zu tun haben.
Wenn die Evolutionstheorie wirklich eine naturwissenschaftliche Theorie ist, dann sind mathematische Überlegungen eine Möglichkeit, den Wahrheitsgehalt zu prüfen (siehe Richtigstellung: Falsifizierbarkeit). Ich halte es für eine schlechte Ausrede, zu behaupten, mathematische Gesetzmäßigkeiten würden in evolutiven Abläufen nicht gelten. Das legt in mir die Vermutung nahe, dass hier, in Anbetracht der erdrückenden Beweislast gegen die Evolutionstheorie, versucht wird, eine mathematische Herangehensweise zu unterbinden, um eine liebgewonnene Theorie nicht aufgeben zu müssen. Die Folgen eines etwaigen Sinneswandels auf breiter wissenschaftlicher Front hätte ja auch schwerwiegende Auswirkungen auf die gesamte westliche Gesellschaft: Ein materialistisches Weltbild würde zusammenbrechen. Plötzlich würde man wieder ungestraft über Gott reden dürfen. Die Wissenschaft hätte noch lange mit Glaubwürdigkeitsproblemen zu kämpfen, usw. [Kein Kommentar vor Herrn Neukamm]
Es scheint tatsächlich sehr viel bequemer zu sein, alle, die für eine intelligente Ursache des Lebens und die uneingeschränkte Gültigkeit von Naturgesetzen eintreten, der Lächerlichkeit preiszugeben, indem man sie mit vereinten Kräften öffentlich als ungebildete „Möchtegern-Wissenschaftler“ diffamiert, die dogmatisch an veralteten religiösen Wahnvorstellungen festhalten. Mir will einfach kein anderer Grund einleuchten, der die Anwendung solch unfairer Mittel erklärt, als das eben jene Personen ihre eigene materialistische Position nicht mit wissenschaftlichen Tatsachen verteidigen können und daher gezwungen sind, zu eben jenen unredlichen Mitteln Zuflucht zu nehmen. [M. Neukamm]
M. Neukamm: Tatsächlich stand die Evlolution zu keiner Zeit vor der Aufgabe, ein in einer geheimnisvollen Weise „vorherbestimmtes“ Enzym zu reproduzieren, vielmehr ist das genaue Gegenteil der Fall.
Um das in nicht mehr überbietbarer Weise mißratene Beispiel der Affenhorde metaphorisch aufzugreifen, hat die Evolution „die Affen“, sagen wir, einige hundertmillionen Jahre auf „den Schreibmaschinen herumhämmern lassen“ um dann mit den Schriften zu arbeiten, die vom statistischen Mittelwert mehr oder weniger stark abwichen. Das bedeutet, sie wird diejenigen Gensequenzen wählen, die Proteine codieren, die irgendeine katalytische Aktivität, und sei sie auch noch so gering, entfalteten, um den Besitzern einen Vorteil zu bescheren.
Es enttäuscht mich ein wenig, dass jemand, der ja offenbar an die permanente Höherentwicklung der Lebewesen glaubt, nicht auf den (zumindest für ihn) naheliegenden Gedanken gekommen ist, dass in etwa 20 Million Jahren sowieso alle Primaten (eventuell sogar manch andere Säugetierart) die Intelligenz heutiger Menschen haben werden, so dass mit Sicherheit ein Shakespeare darunter sein wird, der auch noch Schreibmaschine schreiben kann. (Das soll keine Polemik sein. Es sollte sich in den Ohren derjenigen, die eben diese Entwicklung ohne Probleme in die vergangenen 20 Million Jahre projizieren können, auch nicht so anhören.)
M. Neukamm: Und dann genügen bereits einige Millionen Aminosäurepermutationen (das läßt sich experimentell zeigen), und „das ganze Problem löst sich in Rauch auf“ (van Ditfurth).
Solche Sätze sind bezeichnend für die Leichtigkeit, mit der manche Evolutionstheoretiker unlösbare Probleme ihrer Theorie beiseite schieben. Van Ditfurth heißt übrigens von Ditfurth. [Bis hierhin kein Kommentar von Herrn Neukamm]
M. Neukamm: Selbst wenn man ein ganz bestimmtes Funktionsprotein zufällig erzeugen wollte, genügten dazu bereits einige wenige Aminosäuren, die an bestimmten Positionen sitzen. Die Wahrscheinlichkeit, ein solches Enzym statistisch zu erschaffen, berechnete Kaplan mit bereits 10-10 bis 10-14 (siehe Kämpfe, 1992). Der Lederbergsche Stempelversuch zeigt eindeutig, daß eine solche evolutive Entstehung unter entsprechenden Selektionsdrücken unausweichlich ist.
Ich gebe es zu: Die Hervorhebung im Text stammt von mir.
Ja, der Lederberg’sche Stempelversuch zeigt anschaulich, wie Mikroevolution funktioniert. Die Begriffe Mikroevolution und Makroevolution synonym zu verwenden, so als handle es sich hier um das Gleiche, ist entweder auf Unwissenheit oder auf eine gezielte Irreführung zurückzuführen. Hier noch einmal der Unterschied: [M. Neukamm]
Mikroevolution: Sie baut vorhandene Strukturen ab oder variiert sie, dünnt den Genpool aus oder verändert ihn. Es kommt nie zu einer mutativen Bildung und Anreicherung völlig neuer Gene und Genwirkketten sowie nicht-reduzierbarer komplexer Strukturen. Mikroevolution ist beobachtbar. Rassenbildung ist ein typisches Ergebnis der Mikroevolution.
Makroevolution: Sie soll komplexe Strukturen aufbauen, die vorher nicht vorhanden waren. Es soll zu einer mutativen Bildung und Anreicherung völlig neuer Gene und Genwirkketten kommen. Dadurch sollen völlig neue Arten und höhere systematische Kategorien entstehen. Makroevolution ist eine Hypothese.
Aus der Variation bzw. dem Verlust an Information auf deren Aufbau zu schließen, ist unsinnig. Ein Haus zerfällt von selbst, aber das ist kein Hinweis (geschweige denn ein Beweis) dafür, dass sich das Haus auch selbst aufgebaut hat. [M. Neukamm]
Auch die Summe vieler Mikroevolutionen stellt keine Makroevolution dar, sondern geht mit zunehmender Spezialisierung und dadurch mit Einschränkung des Anpassungspotentials einher. Das heißt: Mit jeder Mikroevolution wird eine weitere Mikroevolution – bei gleichzeitigem Erhalt der Lebenstauglichkeit des Lebewesens – prinzipiell unwahrscheinlicher. Die beobachtbare Mikroevolution und die hypothetische Makroevolution sind gegenläufig! [M. Neukamm]
Der Dachziegel:
M. Neukamm: Auch die Aussage Monods, die Entstehung des „Lebens sei so unwahrscheinlich, daß es lediglich ein einziges Mal im Universum existieren könnne“, sowie alle derartigen Argumentationsketten, beruhen ausnahmslos auf einem fatalen Denkfehler. Analysieren wir dazu die Aussage des Franzosen. Der erste Teil seiner Aussage beruht auf einer nichtssagenden Banalität, der zweite Teil auf einer unzulässigen Verallgemeinerung.
Daß das „Leben“, so wie wir es in allen seinen Details kennen, eine a-priori-Wahrscheinlichkeit von „fast null“ besaß, ist nichts anderes als eine Trivialität. Dazu muß man sich einmal klarmachen, daß fast jedes singuläre Ereignis – vor dessen Eintreten – beliebig unwahrscheinlich ist. Stellen wir uns dazu einen Dachziegel vor, der zufällig vom Hausdach fiele. Er knallt also aufs Pflaster und zerspringt in viele große, kleine und mikroskopische Fragmente, die in ihrer Anordnung so einmalig verteilt sind, daß sich die Konfiguration der Splitter, solange die Welt sich dreht, solange Ziegelsteine von Dächern fallen, niemals mehr wiederholen läßt. Daher stellt jedes dieser Ergebnisse a priori ein praktisch unendlich unwahrscheinliches Ereignis dar. Diese Feststellung ist im grunde völlig banal und im grunde völlig bedeutungslos. Sie bekommt nur dann eine scheinbare Bedeutung, wenn man daraus die irrige Schlußfolgerung ableiten wollte, daß aufgrund der extrem geringen Wahrscheinlichkeit, ein singuläres Ereignis in allen Details zu wiederholen, der Mechanismus, der das Ereignis hervorbrachte, schlichtweg unmöglich sei. Um das ganze Ausmaß dieser logischen Fehlleistung zu veranschaulichen, bemühen wir wieder die Metapher des Ziegelsteins. Die Logik, die hinter Monods Aussage steckt, ist identisch mit jener der Aussage:
„Der (konkret beobachtete) Fall eines Ziegelsteins vom Dach eines Hauses, ist in all seinen Details a priori ein so extrem unwahrscheinliches Ereignis, so daß Ziegelsteine prinzipiell nicht von Dächern fallen können.“
Der wirren Logik liegt in ausnahmslos allen Fällen also der Kardinalfehler zugrunde, daß die aufgrund quantenstatistischer Prozesse verschwindend geringe a-priori-Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines singulären vergangenen Ergeignisses, mit der Wahrscheinlichkeit für die Existenz des Mechanismus, der dieses Ereignis als Resultat hervorbrachte, gleichgesetzt wird.
Trotz der extremen Unwahrscheinlichkeit des Resultats wissen wir, daß Ziegelsteine nach wie vor von Dächern fallen können. Hier werden, bewußt oder unbewußt, falsche und unlogische Kausalitäten, die gar nicht existieren, erhoben, um die Evolution in den Bereich des Unwahrscheinlichen bzw. Unmöglichen rücken zu können.
Einige Evolutionstheoretiker sind mit dieser Annahme einem fatalen Irrtum aufgesessen.
Wenn ein Dachziegel in beispielsweise 1000 Bestandteile zerspringt, dann ist es unsinnig, für dieses Ereignis eine Wahrscheinlichkeit anzugeben. Man muss in die umgekehrte Richtung gehen und sich fragen: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich aus diesen 1000 Bestandteilen durch zufällige Anordnung der Splitter ein vollständiger Dachziegel zusammensetzen lässt? [M. Neukamm] Und anstelle der unendlich vielen Kombinationsmöglichkeiten, wird man feststellen, dass es nur eine einzige sinnvolle Zusammensetzung gibt, und zwar diejenige, die der Dachziegel besaß, bevor er zersprang. Und diese Wahrscheinlichkeit ist grundsätzlich mathematisch zugänglich und, so darf ich behaupten, 1 : unendlich. Oder wie es ein Freund mal ausdrückte: „Diese Chance ist kleiner Null“. [M. Neukamm]
Wir wollen ja nicht die Wahrscheinlichkeit für einen chaotischen Zustand berechnen (also: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich etwas bildet, was nicht lebensfähig ist), sondern die Wahrscheinlichkeit für einen geordneten Zustand, für Strukturen und systematisch aufgebaute Formen (also: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich etwas von selbst bildet, was lebensfähig ist). Eine Struktur zu zerstören (so wie einen Dachziegel), dafür gibt es natürlich unzählige Möglichkeiten, die sich tatsächlich nicht berechnen lassen. Eine komplexe Struktur aufzubauen, dass lässt sich prinzipiell exakt berechnen. Es lässt sich auch für alle alternativen Strukturen errechnen. Nur: Es kann gar nicht so viele alternative Strukturen geben, dass dies die Wahrscheinlichkeit merklich erhöhen würde!
Wie man von der Unmöglichkeit, einen chaotischen Zustand zu berechnen, auf die Folgerung kommt, dass Ziegelsteine nicht von Dächern fallen können, ist für mich ein Mysterium, wie manch andere Schlussfolgerung in seinem Beitrag. Der von Herrn Neukamm gebrauchte Begriff „wirre Logik“ wäre, auf sein Dachziegel-Beispiel angewandt, vielleicht doch gar nicht so unangebracht. [Kein Kommentar von Herrn Neukamm]
Anmerkung von Klaus Wittlich: Der Vergleich ist absurd, weil es nicht auf irgendeine Anordnung ankommt, sondern auf eine Anordnung, die im Rahmen eines biologischen Kontextes funktioniert. Genauso ist ein umfangreiches Softwarepaket kein Zufallsprodukt, obgleich es sehr viele Bytefolgen hierfür geben mag. Es unterscheidet sich von einem „Bytesalat“, der im Rahmen einer rein zufälligen Erzeugung die gleiche Entstehungswahrscheinlichkeit hat, dadurch, dass es spezifische Funktionalität zur Verfügung stellt. Die Zersplitterung eines herabfallenden Ziegelstein liefert jedoch keinerlei Funktionalität. Die Frage muss daher nicht lauten: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit für die Anordnung der Splitter, sondern: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit für eine durch die Zersplitterung gelieferte Funktionalität?
M. Neukamm: Entsprechend verhält es sich mit der Aussage Monods, der sich in seine pathetische Vorstellung verliebt hat, daß der Mensch gleichsam allein wie ein „Zigeuner am Rande des Universums“ sein Leben fristet. Die zweite Aussage des Franzosen legt (vielfach unausgesprochen und zwischen den Zeilen), deshalb eine illegitime Verallgemeinerung nahe, weil „Leben“, aufgrund dessen Unwahrscheinlichkeit, lediglich deshalb „nur ein einziges Mal im Universum entstanden sein könne“, weil stillschweigend davon ausgegangen wurde, daß das „Leben“ ganz allgemein (ohne Begründung und daher unzulässigerweise) mit dem „Leben, so wie wir es auf der Erde kennen“ identisch sein muß. Was Monod letztlich sagt, ist doch folgendes: „Leben (exakt so wie wir es kennen), ist derart unwahrscheinlich, daß es (in ganz allgemeiner Form) kein zweites Mal entstehen kann“. Und diese Implikation ist falsch!
Nicht einmal der Nobelpreisträger Dr. Jacques Monod, selbst ein überzeugter Evolutionstheoretiker (Direktor des Institut Pasteur, 1976 verstorben), scheint Herrn Neukamm davon überzeugen zu können, dass die Anwendbarkeit der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf die Evolutionstheorie sehr wohl berechtigt ist. [M. Neukamm, ab hier kommentiert Herr Neukamm nichts mehr, außer meine Anmerkung 4] Eine solche Polemik gegenüber verstorbenen Personen (ob Nobelpreisträger oder nicht) ist besonders verwerflich, da diese zu einer Verteidigung ihrer Person nicht mehr fähig sind. Eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen, warum Monod die grundsätzliche Anwendbarkeit der Wahrhscheinlichkeitsrechnung auf die Ursprungsfrage gutheißt, erfolgt nicht. Das Unausgesprochene, was Herr Neukamm zwischen den Zeilen der Aussage Monods zu erblicken meint, ist hingegen eine von ihm selbst vorgenommene Interpretation dessen, was Monod vielleicht beim Schreiben gedacht haben mochte. Diese seine Deutung wird dann von ihm selbst als illegitime Verallgemeinerung hingestellt. Das ist eine sehr eigenartige Vorgehensweise.
Monod war sich der fatalen Situation und der akuten Erklärungsnot, in der sich Evolutionstheoretiker in Anbetracht mathematischer Gegebenheiten befinden, offenbar sehr viel bewusster als es viele Evolutionstheoretiker wahr haben wollen.
M. Neukamm: Diese Zusammenhänge sind im Grunde so einleuchtend, daß jedes Kind sie verstehen kann. Der Grund, daß die unermüdlichen Hinweise auf diese Tatsachen seitens Gould, van Ditfurth oder vielen anderen, bei Kreationisten bislang auf unfruchtbaren Boden fielen, liegt also entweder in einem unheilbar pathologischen Logikbegriff begründet oder an der dogmatisch begründeten Unwilligkeit zum logischen Denken.
Es ist menschenunwürdig, Personen, die eine andere Meinung vertreten (ob Intelligent-Design-Theoretiker oder Evolutionstheoretiker), derart zu diffamieren. Alle wissenschaftlich arbeitenden Intelligent-Design-Theoretiker und selbst einen von der Evolutionstheorie überzeugten Nobelpreisträger wie Jacques Monod, der offensichtlich verstanden hat, dass die Anwendbarkeit der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf die Evolutionsfrage berechtigt ist, mit unwissenschaftlich argumentierenden Kreationisten (die es zweifelsohne gibt) in einen Topf zu werfen und dann, sich im Ton vergreifend, über sie herzuziehen, ist höchstens dazu geeignet, das wissenschaftliche Klima zu vergiften. Die meisten Evolutionstheoretiker würden sich sicherlich ebenfalls dagegen verwahren, als unheilbare Kommunisten beschimpft zu werden, nur weil sich Kommunisten die Evolutionstheorie zu eigen machten. Dass sich Herr Neukamm derart undifferenziert über diejenigen äußert, die seine materialistische Weltanschauung nicht teilen, liegt sicherlich nicht daran, dass ihm der Unterschied zwischen wissenschaftlich arbeitenden Intelligent-Design-Theoretiker und religiösen Dogmatikern nicht bekannt wäre. Dogmatiker findet man selbstverständlich auch zu Hauf unter den Evolutionstheoretikern – das sind alle diejenigen, die etwas als Tatsache hinstellen, ohne Beweise dafür liefern zu können!
Fazit:
In einem Satz zusammengefasst, besagt seine Kritik folgendes: Man kann nicht die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses berechnen, wenn genauso gut auch ein anderes Ereignis hätte eintreten können. Ich halte das für ein gründliches Missverständnis dessen, was Wahrscheinlichkeitsrechnung ist. Auf ein Lottospiel angewandt, müsste diese Aussage bedeuten: Die Chance, die richtige Lottozahl zu tippen beträgt nicht 1 zu 13983816, da ja auch jede andere Zahl hätte gezogen werden können. Würde diese verdrehte Aussage stimmen, würde die Gewinnchance 100% betragen.
Das Leben baut auf komplexen Funktionen und Strukturen auf, die codiert im DNS-Molekül vorliegen. Diese Codierung kann nicht beliebig sein, da sich Funktionen und Strukturen nicht beliebig codieren lassen. Wenn ein intelligenter Mensch einen Text schreibt, so kann er die Buchstaben nicht beliebig wählen. Er ist an grammatische und orthografische Regeln gebunden sowie an die zu vermittelnde inhaltliche Aussage. Die Ursache jedes sinnvollen Textes ist ausnahmslos Intelligenz!
Herrn Neukamms Argumentation ist daher oberflächlich und hält einer konkreten Prüfung nicht stand. Einen Mathematiker beeindrucken seine bizarren Beispiele nicht. Er greift zwar diejenigen, die seine Ansicht nicht teilen, verbal an, kann ihre auf mathematischen Gegebenheiten aufbauenden Argumente gegen die Evolutionstheorie aber nicht entkräften, geschweige denn, Beweise für die eigene Auffassung vorlegen.
Ich habe selten einen Beitrag gelesen, der sich mit einer so unfairen Polemik über mathematische Gegebenheiten hinwegsetzt. Kann Herr Neukamm sich denn nicht vorstellen, dass „die unermüdlichen Hinweise“ von Gould, von Ditfurth oder der „vielen“ anderen deswegen bei Intelligent-Design-Theoretikern bislang unfruchtbar waren, weil der Samen und nicht der Boden unfruchtbar ist? Durch seine Verunglimpfungen setzt er sich selbst dem Vorwurf aus, in Ermangelung sachlicher Argumente oder ausreichend profundem Wissen, zu verbalen Attacken Zuflucht nehmen zu müssen. Wer stichhaltige Beweise hat, benötigt keine Polemik!
Einen ganzen Wissensbereich der Mathematik, die Wahrscheinlichkeitsrechnung, als nicht anwendbar auf die Evolution zu verwerfen, das ist bestenfalls ein skurriler Versuch, die Evolution, ob der erdrückenden Unwahrscheinlichkeit ihrer Mechanismen, retten zu wollen. Dass Herr Neukamm die mathematischen Argumente gegen die Evolution seinerseits nicht mit mathematischen Gegenargumenten zu entkräften versucht, sondern nur mit vagen Annahmen und rhetorischen Seitenhieben, gab mir doch sehr zu denken. Mit seinen durchweg schwammigen Angaben kann man natürlich nicht rechnen. Nebulöse Aussagen sind symptomatisch für Personen, die unangreifbar bleiben wollen.
Anmerkung 1 – Das Rechnen mit Großen Zahlen:
Noch ein Kommentar zu Großen Zahlen: Der Umgang mit Großen Zahlen entzieht sich den üblichen Erfahrungswerten des Menschen. Daher kann man mit Aussagen wie: „Das macht das Ganze bereits 100-mal wahrscheinlicher“, den Eindruck erwecken, als habe sich eine Wahrscheinlichkeit von 1 : 101000 irgendwie verändert. Tatsächlich erhöht sie sich gerade mal auf 1 : 10998 (Da tut sich also nur etwas an der 998. Stelle hinter dem Komma!). Der Zuwachs der Wahrscheinlichkeit ist in diesem Fall völlig irrelevant.
Anmerkung 2 – Anzahl aller Atome im Universum:
Die Größe der Zahl 101531 (Das war die Wahrscheinlichkeit aus obigem Beispiel mit der Zusammenfassung des Romans Robinson Crusoe bestehend aus 1000 Buchstaben.) möchte ich so verdeutlichen: Wir machen es uns zur Aufgabe, aus allen Atomen des Universums ein ganz Bestimmtes auf Anhieb herauszugreifen. Das Ganze klingt völlig absurd, aber die Wahrscheinlichkeit lässt sich berechnen: Sie beträgt etwa 1 : 1078.
Berechnung:
Das Gewicht des Universums wird mit ca. 1050kg angegeben. Das eines Protons mit 1,6726-27kg. Selbst wenn das ganze Universum nur aus Protonen bestehen würde (oder aus den unbedeutend schwereren Wasserstoff), bestünde es nur aus 1,6726 x 1077 Atomen. 1078 ist also bereits eine großzügige Schätzung, handelt es sich dabei doch bereits um 6 Universen.
Stellen wir uns nun vor, es gäbe so viele Universen, wie es Atome im Universum gibt. Dann wäre die Wahrscheinlichkeit ein bestimmtes Atom auf Anhieb aus allen Atomen herauszugreifen 1 : 1078+78 = 1 : 10156. Stellen wir uns nun so viele Universen vor, wie es Atome in allen Universen gäbe, wenn es so viele Universen gäbe wie es Atome im Universum gibt. Wir können diese ganze Rechnung 19 mal wiederholen, dann wären wir immer noch nicht bei 1 : 101531 angelangt.
Anmerkung 3 – Grenze der Wahrscheinlichkeit:
Alle Wahrscheinlichkeiten jenseits von 1:1050 werden von Mathematikern als unmöglich angesehen, da selbst die kürzeste physikalisch sinnvolle Zeitspanne (Elementarzeit = 4,4 x 10-24s) während der gesamten Existenzdauer des Universums noch nicht 1050-mal vergangen ist. Sie ist tatsächlich nur etwa 1,57 x 1033-mal vergangen. Das Universum müsste das 63.541.381.409.680.355fache Alter haben, bevor die Elementarzeit 1050-mal vergangen ist. Alle noch geringeren Wahrscheinlichkeiten sind höchstens noch zum Rechnen interessant, haben zur Realität aber keinen Bezug mehr.
Anmerkung 4 – Das Beispiel mit dem Würfel
An anderer Stelle führt Herr Neukamm ein anderes Beispiel an, um seinen unberechtigten Angriff auf die Anwendbarkeit der Wahrscheinlichkeitsrechnung im Evolutionsmodell zu veranschaulichen:
M. Neukamm: „Man denke sich einen Spieler, der die Aufgabe bekäme, hundertmal in Folge zu würfeln und die Zahlen der Reihe nach auf ein Blatt Papier zu schreiben. Jetzt läßt sich feststellen, daß die Wahrscheinlichkeit, die realisierte Zahlensequenz zu bekommen (1/6)100, also „fast Null“ beträgt. Der Auffassung des Kreationismus entsprechend muß nun der Schluß gezogen werden, daß die Entstehung solcher Zahlenreihen „außerhalb des Bereichs der Wahrscheinlichkeit der sich auf unserer Erde abspielenden Zufallsprozesse“ liege. Tatsächlich lassen sich jedoch beliebig viele – wenn auch jedesmal verschiedene, niemals wieder dieselben – gleich unwahrscheinlichen Zahlenfolgen erwürfeln.“
Angenommen, Herr Neukamm würde einer Schulklasse die Aufgabe geben, eben jenes Experiment durchzuführen. Alle Schüler schreiben ihre erwürfelte Zahlenfolge auf. Herr Neukamm sammelt alle Zettel ein. Erwartungsgemäß kommt keine Zahlenfolge doppelt vor. Aber auf einem Zettel steht 100-mal eine 3. Wird Herr Neukamm es dem Schüler abkaufen, dass er diese Zahlenreihe wirklich durch Zufall erwürfelt hat? Ich gehe davon aus, dass kein Leser dieses Beitrags das glauben würde. Und warum nicht? Weil es sich um eine geordnete und keine chaotische Zahlenfolge handelt! [M. Neukamm, die restlichen Ausführungen wurden von Herr Neukamm nicht kommentiert]
Selbst wenn der Schüler versichert, diese Zahlenreihe gewürfelt zu haben, wird man ihn entweder für einen Spaßvogel halten, oder seinen Würfel einer Untersuchung unterziehen, ob dieser nicht vielleicht „gezinkt“ ist. Warum diese berechtigte Skepsis? Ganz einfach: Aufgrund der extrem geringen Wahrscheinlichkeit:
1 : 6100 = 1 : 6,53 x 1077
100-mal eine 3 zu würfeln, ist so unwahrscheinlich, als wollte man aus allen Atomen des Universums ein ganz bestimmtes auf Anhieb herausgreifen. Warum wendet man in dem einen Fall die Wahrscheinlichkeitsrechnung an, wenn es um weit komplexere Strukturen geht, will man davon aber nichts wissen?
M. Neukamm: Der entscheidende Punkt ist, daß keine Notwendigkeit besteht, eine ganz bestimmte Konfiguration (wie sie beobachtet wird) so und nicht anders zu realisieren. Die Unwahrscheinlichkeit jeder einzelnen Konfiguration wird durch eine immens große Zahl an alternativen Konfigurationsmöglichkeiten aufgewogen.“
Zu behaupten, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein ganz bestimmter Roman durch eine zufällige Buchstabenfolge erzeugen lässt, tatsächlich 1 : unendlich ist, dass dies aber durch die „immens große Zahl“ an Romanen in der Welt aufgewogen wird, ist mathematischer Unsinn. Kein Roman auf dieser Welt lässt sich per Zufallsgenerator erzeugen! Die Anzahl sinnvoller Romane steht in keinem Verhältnis zu der Anzahl aller nur erdenklichen sinnlosen Buchstabenfolgen.
Könnte es sein, dass der Umstand, dass einige Evolutionstheoretiker im genetischen Code keine augenfällige Struktur erkennen, sie zu der Annahme verleitet, dass dieser Code chaotisch (und damit zufällig) ist? Dies wäre bedauerlich, stellt das DNS-Molekül doch mithin die komplexeste Struktur auf molekularer Ebene dar, die wir überhaupt kennen. Das menschliche Genom besteht aus ungefähr 3 Milliarden genetischen Buchstaben. Dabei würde das menschliche Genom aller 6 Milliarden Menschen zusammengenommen nicht einmal einen Streichholzkopf füllen. Dieses Genom enthält alle nur erdenklichen Informationen zum Aufbau und dem Heranreifen eines individuellen Menschen, sowie über menschliche Fähigkeiten (wie das Sprechen und abstraktes Denken). Das Beispiel mit dem Roman müsste, auf den Menschen angewandt, richtigerweise in „Hunderte sinnvolle Romane gleichzeitig“ abgeändert werden.
Hier übrigens Herrn Neukamms verändertes Würfelbeispiel aus meiner Verteidigung der Wahrscheinlichkeitsrechnung – Teil 2.
Ergänzungen:
- 25.09.2002:
Herrn Neukamms Reaktion. Den Leser wird es sicherlich interessieren, wie Herr Neukamm auf diese Veröffentlichung reagiert hat. - 12.01.2003:
Herr Neukamm hat am 01.10.2002 eine Replik auf die vorliegende ersten Verteidigung der Wahrscheinlichkeitsrechnung verfasst. Ich habe daraufhin dieses Dokument an den entsprechenden Stellen mit seinen Kommentaren verlinkt und diese Kommentare jeweils analysiert. - 12.01.2003:
Hier nun die Verteidigung der Wahrscheinlichkeitsrechnung – Teil 2. Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Ersatztext, den Herr Neukamm an die Stelle seiner in meiner Verteidigung der Wahrscheinlichkeitsrechnung – Teil 1 analysierten Passage kopiert hat. - 30.03.2003:
Einige meiner Anmerkungen wurden in das Dokument Richtigstellungen ausgelagert.